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1.1.8 Music for Piano.doc


John Cage: Music for Piano

Die Music for Piano gehört zu den bekanntesten Beispielen indeterminierter Musik aus den fünfziger Jahren. Der Zyklus enthält folgende Stücke:

Music for Piano 1 (1952) (4 min)

Music for Piano 2 (1953) (4 min)

Music for Piano 3 (1953)

Music for Piano 4-19 (1953)

Music for Piano 20 (1953)

Music for Piano 21-36; 37-52 (1955)

Music for Piano 53-68 (1956)

Music for Piano 69-84 (1956)

Music for Piano 1 ist ausschließlich in ganzen Noten unbestimmter Dauer notiert. Jedes System hat die Dauer von sieben Sekunden. Es gibt dynamische Angaben, aber die Tonerzeugung auf den Tasten oder auf den Saiten ist frei. Die Noten entsprechen Unregelmäßigkeiten auf dem Papier, auf dem das Stück geschrieben wurde. Ihre Anzahl war das Ergebnis einer zeitlichen Limitierung des Kompositionsvorganges selbst, die in jedem System in anderer Weise erfolgt.

In Music for Piano 2-20 sind Tempo und dynamische Bezeichnungen frei. Die Tonerzeugung wurde durch Zufallsoperationen ermittelt, die Töne selbst durch Unregelmäßigkeiten auf dem Papier.

In Music for Piano 4-19 können die sechzehn Seiten als getrennte Stücke oder im Zusammenhang als ein Stück gespielt werden.

Music for Piano 21-36, 37-52 sind zwei Gruppen aus je sechzehn Stücken, die allein oder zusammen oder mit oder ohne Music for Piano 4-19 gespielt werden können. Ihre zeitliche Länge ist frei, und zwischen den Stücken kann man Pausen einfügen oder auch nicht, oder man kann die Stücke auch sich überlappen lassen. Wenn eine prgrammierte Zeitlänge gegeben ist, können die Pianisten eine Berechnung so anstellen, daß ihr Konzert diese ausfüllt. Ein System enthält zwei Notenzeilen mit einer Linie dazwischen. Schwarze Noten über dieser Linie sind Geräusche, die im Inneren des Klaviers produziert werden; schwarze Noten unter der Linie sind Geräusche, die außerhalb des Klaviers produziert werden, mit oder ohne Schlägel.

Die sechzehn Stücke der Music for Piano 53-68 können allein oder zusammen und mit oder ohne Music for Piano 4-19, 21-36, 37-52 gespielt werden. Abgesehen von der Tatsache, daß Systeme oft unvollständig sind, sind diese Stücke notiert wie Music for Piano 21-52, und sie wurden in derselben Weise komponiert.

Music for Piano 69-84 ist die letzte Gruppe von sechzehn Stücken in dieser Reihe. Alle diese Stücke können vollständig oder teilweise mit beliebig vielen Pianisten aufgeführt werden.

Die verschiedenen Teile des Zyklus sind teilweise nach unterschiedlichen Prinzipien komponiert worden. Beispielsweise sind in Music for Piano 4-19 keine Geräusche einbezogen, die im inneren oder äußeren Klaviergehäuse erzeugt werden.

Nach Zufallsmanipulationen ermittelt wurden die Anzahl der Töne pro Seite (1-128 mögliche Töne je Seite für die Stücke 21-36; 1-32 Töne je Seite für die Stücke 37-52), die Wahl des Schlüssels (Violin- oder Baßschlüssel) und die Klangfarbe: normal, d.h. auf den Tasten zu spielen; gedämpft, d. h. die anzuschlagende oder zu zupfende Klaviersaite mit dem Finger zu dämpfen, gezupft. Wenn beispielsweise die Nummer 6 und 44 geworfen wurden, dann gelten die Nummern 1-5 als normale, 6-43 als gedämpfte und 44-64 als gezupfte Klaviertöne. - Durch Zufallsentscheidungen wird auch festgelegt, ob eine Note (ausgenommen die höchste und tiefste Note) normal, erhöht oder erniedrigt ist.

Die Aufführungsdauer der Notenseiten in einer bestimmten Aufführung wird ermittelt, indem die vorher bestimmte Programmdauer durch die Anzahl der Seiten geteilt wird. Davon abgeleitet ergibt sich beispielsweise die Dauer für ein Doppelsystem. Obwohl der Raum einer Seite hier der Zeit gleichgesetzt wird, ist es denkbar, ihn als fließend aufzufassen, und zwar nicht nur als gleichmäßig, sondern auch als schneller und langsamer fließend; denn die Aufführung wird durch einen Menschen und nicht durch eine Maschine realisiert. So ist letztlich mit der Notation nichts über die Aufführungszeit ausgesagt. Auch die Angaben über Klangfarbe, Aufführungsort, Anzahl und Placierung der Instrumente sind weitgehend unbestimmt. Cage war sich der Tragweite dessen voll bewußt, als er konstatierte: "All dies, offensichtlich von wesentlicher Bedeutung, weist auf die Frage hin: Was ist komponiert worden?"
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